Spielverständnis durch Videoanalyse verbessern

Beitrag 5 von 8 Aktivitäten für Frisbeesport-Athlet*innen, solange wegen Covid-19 kein Sport in der Gruppe möglich ist. – Videoanalyse. – Von Katharina Aschenbrenner #wirbleibenzuhause

Jede*r profitiert davon, sich systematisch mit Videomaterial auseinanderzusetzen, dennoch würden die meisten Frisbeespieler*innen Videoanalyse vermutlich eher in das Aufgabengebiet von Coaches einordnen. 

Um abzuleiten, wie es Spieler*innen nützt, sehen wir uns an, wie Coaches Videomaterial nutzen, denn zu fast allen taktischen und technischen Aspekten lassen sich auf der individuellen und Team-Ebene Erkenntnisse gewinnen. Aufnahmen der eigenen und gegnerischen Mannschaft dienen dazu Strategien und Taktiken zu beurteilen. Coaches können neben dem taktischen Verständnis auch den Einsatz, sowie das Selbstbewusstsein von Spieler*innen in bestimmten Situationen analysieren. Sie sichten auch Material von Top-Teams, um ihr Repertoire zu erweitern, und sie sind immer auf der Suche nach Fehlern. Aus diesen Fehlern lernen sie, steuern mit ihren Erkenntnissen den Trainingsprozess, bereiten ihre Teams auf Gegner vor und helfen Spieler*innen sich zu verbessern.

Beispiel einer Ultimate-Spielanalyse bei Ultiworld

All diese Aspekte kann ich mir als Spieler*in genauso zu Nutze machen. Ich kann lernen meine und die Fehler anderer zu erkennen, zu analysieren und daraus zu lernen. Videomaterial bietet darüber hinaus die Chance wirklich von den Besten der Welt zu lernen. Damit kann ich nicht nur mein taktisches Verständnis vertiefen, sondern mich auch technisch weiterentwickeln. 

Hinweis: Dieser Artikel bezieht sich im Folgenden auf Ultimate, ist aber eins zu eins auch für andere Frisbeesportarten zu nutzen. Athleten anderer Disc-Sportarten wissen sicher besser als die Autorin, wie sich die Methoden auf ihre Sportart übertragen lassen.

Die Vorteile liegen auf der Hand, aber dennoch ist aller Anfang schwer, und sich einfach ein ganzes Spiel anzusehen, ist oft weder ausreichend unterhaltsam durchzuziehen, noch für die Analyse zielführend – zumindest für einen Großteil der Spieler*innen (wenn du die Ausnahme bist, gut für dich!). Was für Material gibt es und was nützt es?

  • Highlight-Videos; hier kann ich an trüben Tagen Motivation tanken und mich an der Athletik unseres Sport freuen. Das war’s.
  • Ganze Spiele; sind vor allem interessant für Coaches und Video-Freaks, alle anderen schalten vermutlich bald ab (hier ist ein gigantisches Archiv: http://dev.syphen.org/ultivids/ )
  • Techniktipps und Bewegungsstudien: Hier kann man relativ kurzweilig einiges Lernen (https://www.youtube.com/user/ultiworld -> Throwing Form)
  • Kurze Clips aus Spielen: Mein absoluter Favorit, um sich der Videoanalyse zu nähern. Oft findet man diese über die sozialen Medien, sie brechen Spiele in Punkte herunter und sind oft mit nützlichen Kommentaren versehen (z.B. Facebook: Women’s Ultimate frisbee Film Study Group, …). 

Nun habe ich also Filmmaterial vorliegen. Mit dem Ansehen alleine ist es aber nicht getan, hier ein paar Vorschläge, wie man effektiv damit arbeitet:

  • Kurze, regelmäßige Session: wie bei jedem Training ist Regelmäßigkeit der Schlüssel und kurze Sessions halten die Konzentration hoch.
  • Stift und Papier raus! Schreib etwas auf, mehrdimensional bleibt mehr hängen. Zeichne Taktiken auf, Passwege, Laufwege. Auch wenn du das Papier danach direkt entsorgst, der Prozess zählt.
  • Spieler*innen kennenlernen: Besorgt dir Spieler*innenlisten und gib den Menschen Gesichter, über die Identifikation macht das Videoschauen mehr Spaß
  • Gutes Material anschauen! Vielleicht offensichtlich, aber bevorzuge Material mit Perspektive von weit oben, um eine schöne Feldübersicht zu haben. Ausschnitte sind nützlich, um technische Feinheiten zu erkennen.
  • Kommentare nutzen! Auch hier gibt es viel gutes Material, schalte beim ersten Mal schauen stumm, auf repeat höre dir an, was die Kommentator*innen dazu sagen.
  • Gemeinsam macht es mehr Spaß: Diskutiere mit jemandem darüber, schaut es zusammen (oder in der Videoschalte). 
  • Stelle Fragen! Egal ob du sie einem*r Mitspieler*in oder dir selbst stellst, so gehst du den Dingen auf den Grund.

Da du nun einige Techniken an der Hand hast und mit gezücktem Bleistift vor dem Schirm sitzt, stelle dir weiter die Frage: Worauf kann ich konkret achten?

  • SCHAUE NICHT AUF DIE SCHEIBE: Erst diese Refokussierung erlaubt dir wichtige Dinge zu erkennen: Wie bewegen sich die Spieler*innen? Wo ist der freie Raum? Wie läuft sich der*die Receiver*in frei? Wie positioniert sich der*die Defender*in im Raum? … zum*r Gegenspieler*in? …mit der Hüfte? Ok, nun darfst du wieder auf die Scheibe schauen.
  • Stop and stare: Halte das Bild an, um Taktiken zu erkennen. Lies die Defence: “Ist es eine Zone? Person? Pseudo?” Nun lass das Bild weiterlaufen: “Erfolgt eine Transition (z.B. Zone zu Person)? Ist die Taktik erfolgreich?”. Lies die Offence: “Wie stellen sie sich auf?” Weiterlaufen lassen: “Könnte das ein Set Play sein? Was macht das Team gut? Warum können die immer Breaks spielen?”. 
  • Reeeeeeeewind: Spule zurück! Es gibt Situationen im Ultimate, die ein (Zwischen-) Ergebnis bringen und das sind typischerweise Punkte und Turns. Stoppe hier! Stell dir eine Frage: “Was hat dazu geführt? Woher kam der Cut? Hat die Defence das erzwungen? Wo war der Raum öffnende Pass?” Spule zurück und sieh dir die Dinge langsam und mehrfach an, um deine Fragen zu beantworten.
  • Suche dir ein Idol 🙂 – Warum nicht? Es gibt sicher eine*n Spieler*in, der*die einen vergleichbaren Spielertyp wie du verkörpert und der*die auf einer Position spielt, über die du lernen möchtest. Studiere ihre Bewegungen auf beiden Seiten der Scheibe, ihre Laufwege. (-> siehe dazu diesen Beitrag in der Reihe)

Nun, da du so viel aus dem Videomaterial gelernt hast, gilt es natürlich das ganze zu evaluieren, das heißt du versuchst den Dingen eine Bedeutung beizumessen. An was möchte ich arbeiten und wie? Auf welche Kleinigkeit kann ich im Training achten? Welche Taktiken muss ich mir nochmal erklären lassen? 

Der letzte und wichtigste Punkt nach der Evaluation ist die Umsetzung im individuellen und Team-Training. Dies ist momentan nur sehr eingeschränkt möglich, dennoch haben wir ein mächtiges Tool weiterhin zu Verfügung: Visualisierung!  (-> siehe dazu diesen Beitrag in der Reihe)

Quellen: 

https://247sports.com/nfl/denver-broncos/Article/How-To-Break-Down-Game-Film-A-Beginners-Guide-75025141/

Zur Autorin: Katharina Aschenbrenner ist Trainerin der U20 Nationalmannschaft weiblich und Mitglied des DFV-Lehrteams. Davor konnte sie als U17 Nationaltrainerin zwei Europmeistertitel gewinnen. Als Spielerin vertrat sie Deutschland ab 2013 mit Pausen im Frauennationalteam. In ihrem Heimteam den Heidees (Heidelbärchen, TV Eppelheim) ist sie Spielertrainerin und konnte neben deutschen Vizemeistertiteln auch die Teilnahme an internationalen Club-Titelkämpfen erreichen.